Wie läuft eine Traumatherapie ab?

https://unsplash.com/photos/tVIv23vcuz4
1. Was ist ein Trauma?
Der Begriff Trauma kommt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt Wunde. Ein Trauma ist eine seelische Verletzung. Im Alltag sprechen wir von Trauma, wenn leidvolle Erlebnisse gemeint sind. In der Medizin wird Trauma als Ereignis definiert, das mit der aussergewöhnlichen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit oder sogar dem Tod einhergeht. Aber auch Ereignisse, die eine tiefe Verzweiflung hervorrufen, sind als Trauma definiert. Sie sind verbunden mit starker Angst, Hilflosigkeit und Grauen. Dazu zählen z. B. schwere Unfälle, Naturkatastrophen, sexuelle Gewalt oder Krieg.
2. Welche Folgen hat ein Trauma?
Traumatische Ereignisse überfordern die psychischen Schutzmechanismen und das biologische Stresssystem. Traumata wirken sich seelisch und körperlich aus. Das Gehirn kann das Erlebte nicht verarbeiten. Eine direkte Folge eines Traumas kann eine akute Belastungsreaktion sein. Einige Menschen können sich an das Erlebte nicht mehr erinnern. Sie fühlen sich von sich selbst (Depersonalisierung) oder der Umgebung (Derealisation) entfremdet.
Die Beschwerden nach einem Trauma können verzögert auftreten. Häufige Folge eines Traumas ist die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Die vier Hauptmerkmale der PTBS sind Übererregung, Wiedererleben des traumatischen Ereignisses, Vermeidung und negative Gefühle und Gedanken.
3. Wie verhält sich ein traumatisierter Mensch?
Menschen wirken nach einem Trauma häufig wie ferngesteuert. Sie funktionieren im Alltag, wirken aber mechanisch und starr. Später kann sich diese Abwesenheit von Gefühlen in Schreckhaftigkeit und eine anhaltende Angst wandeln.
Traumatische Erlebnisse werden innerlich wiedererlebt. Bestimmte Situationen, Personen oder Gerüche erinnern die Betroffenen plötzlich an das Trauma. Als Folge sind traumatisierte Menschen ständig angespannt. Sie schlafen schlecht, haben Schwierigkeiten, sich zu entspannen, und leiden unter Konzentrationsstörungen. Der Körper und die Psyche sind mit dem Kampf gegen das Trauma ausgelastet. Es fehlt Kapazität für die Bewältigung des Alltags.
Folgende Symptome können auftreten:
Emotionale Teilnahmslosigkeit, sozialer Rückzug
Hoffnungslosigkeit, Traurigkeit, Verzweiflung
Vermindertes Selbstwertgefühl, Scham- und Schuldgefühle
Misstrauen gegenüber sich selbst und anderen Menschen
Erhöhte Reizbarkeit, Ungeduld, Aggressivität
Schreckhaftigkeit, Nervosität, Übererregung
Wiedererleben des traumatischen Ereignisses, Flashbacks, Albträume
4. Welche Krankheitsbilder entstehen durch Traumata?
Kann ein traumatisches Erlebnis nicht innerhalb der ersten Wochen verarbeitet und integriert werden, kann es zu Langzeitfolgen kommen. Folgende Krankheitsbilder können aus einem Trauma entstehen:
PTBS: Häufige Folge eines unverarbeiteten Traumas, gekennzeichnet durch Überregung, Wiedererleben der traumatischen Situation, Vermeidung und negative Gedanken und Gefühle.
Komplexe PTBS: Neben den typischen PTBS-Symptomen entstehen Angst, Phobien oder ein gestörtes Beziehungs- und Identitätserleben.
Verbitterungsstörung: Wenn aus Angst, Wut und Scham eine Verbitterung wird, dann entsteht der tiefe Glaube an eine «ungerechte Welt». Das Trauma ist so stark, dass alle anderen Handlungsoptionen erschöpft sind.
Anhaltende Trauerstörung: Auch der Verlust einer nahestehenden Person kann traumatisch sein. Wenn auch sechs Monate nach dem Tod einer nahestehenden Person keine Heilung der Trauer eintritt, spricht man von einer Trauerstörung. Damit einher gehen grosse Schwierigkeiten, den Verlust zu akzeptieren und das eigene Leben als sinnvoll zu betrachten.
Dissoziative Störungen: Durch traumatische Erfahrungen können Betroffene die willentliche Kontrolle über Verhalten oder traumatische Erinnerungen verlieren. Es kommt z. B. zu Amnesie, Trance-Zuständen, Bewegungs- oder Persönlichkeitsstörungen.
Depression: Gedrückte Stimmung, Erschöpfung, eine hohe Ermüdbarkeit und Interessenverlust kennzeichnen das Alltagserleben bei einer Depression.
5. Wie läuft eine Traumatherapie ab?
Auch wenn das Erlebte nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, hilft eine Traumatherapie bei der Integration in den Alltag. Die Traumatherapie hat drei Phasen:
- Stabilisierung: Betroffene lernen mithilfe der Therapieperson, ihre Gefühle zu regulieren. Traumatisierte Menschen haben häufig Probleme, mit ihren inneren Spannungen umzugehen. Was tue ich, wenn mich plötzlich eine Erinnerung an das schreckliche Erlebnis überfällt? Statt dem Erlebten innerlich ausgesetzt zu sein, lernen Betroffene den Umgang mit diesen herausfordernden Episoden. Eigene Stärken und Ressourcen zur Bewältigung des Traumas werden herausgearbeitet. Der Alltag und das soziale Umfeld sollen wieder zu einem sicheren Ort für Betroffene werden.
- Bearbeitung: Je nach Schwere des Traumas ist eine Konfrontation heilend. In dieser Phase werden Betroffene mit dem Trauma konfrontiert. In einem geschützten Raum setzt sich die traumatisierte Person mit dem Erlebten auseinander. Eindrücke, Bilder und Gefühle des zurückliegenden Traumas werden betrachtet, damit das Gehirn die Möglichkeit hat, das Erlebte als «vergangen» abzuspeichern. Betroffene nach einem schweren Autounfall lernen so z. B., sich ohne Angstgefühle wieder in ein Auto zu setzen. Nur wenn das Gehirn gelernt hat «die Gefahr ist vorbei», wird entspanntes Autofahren wieder möglich.
- Integration: In dieser Phase geht es um die Einordnung des Traumas in die persönliche Lebensgeschichte. Die Herausforderung liegt hier in der Versöhnung mit der Vergangenheit. Je nach Art des traumatisierenden Erlebnisses werden neue Denk- und Verhaltensweisen erprobt. Wie funktioniert der Umgang mit Ungerechtigkeit (z. B. wenn der Täter nicht zur Verantwortung gezogen wurde)? Von welchen Wünschen gilt es Abschied zu nehmen (z. B. wenn nach einem Unfall körperliche Einschränkungen bleiben)? Betroffene üben sich in Akzeptanz, erarbeiten neue Lebensperspektiven und erlernen Methoden zur Rückfallvorbeugung.
In der Traumatherapie werden verschiedene Methoden angewandt. Diese können einzeln oder kombiniert zur Anwendung kommen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor für eine Therapie ist die Beziehung zum Psychotherapeuten oder zur Psychotherapeutin. Erfahren Sie in diesem Artikel mehr darüber, wie Sie die richtigen Psychologen finden.
6. Welche Methoden gibt es in der Traumatherapie?
Es gibt verschiedene psychotherapeutische Methoden zur Behandlung eines Traumas. Häufig werden verschiedene Ansätze miteinander kombiniert. Ziel ist es, das Trauma zu überwinden.
Es gibt folgende Methoden in der Traumatherapie, um ein Trauma zu bewältigen (Auszug):
Ein Trauma kann Denk- und Verhaltensmuster auslösen, die für den Alltag der Betroffenen hinderlich sind. Die Angst vor dem Autofahren nach einem Unfall führt z. B. zu einer Vermeidung von Autofahrten oder Panikreaktionen im Verkehr. Die Therapie verläuft sehr strukturiert. Betroffene erhalten Übungen, die zusammen mit der Therapieperson und alleine bearbeitet werden. Die Wirksamkeit von kognitiver Verhaltenstherapie ist in Studien gut belegt.
Die Methode wurde speziell für die Behandlung von Traumata entwickelt. Mithilfe bestimmter Augenbewegungen und in Begleitung einer Therapieperson lernt das Gehirn, die herausfordernden Erfahrungen zu integrieren. Im Artikel über EMDR erfahren Sie alles über diese Methode.
Bei einem Trauma sind drei biologische Reaktionen möglich: Flucht, Kampf und Erstarrung. Werden diese Reaktionen nach dem traumatischen Ereignis nicht vollständig durchlaufen, bleibt der Körper längere Zeit in einem Alarmzustand. Er reagiert dann auch im Alltag häufiger so, also ob das traumatische Ereignis aus der Vergangenheit immer noch besteht. Mithilfe von körperbezogenen Übungen erhält der Körper seine Lebendigkeit zurück. SE gilt als besonders schonende Methode.
Unbewusste Wirkungen des Traumas werden aufgedeckt und behandelt. Hier wird z. B. erarbeitet, wie das Trauma die persönlichen Werte des Betroffenen verändert hat. Weiterhin werden Bewältigungsstrategien vermittelt, Ressourcen aktiviert und Entspannungstechniken eingesetzt.
Dieser Ansatz geht davon aus, dass jeder Mensch sogenannte Ego States hat. Das sind verschiedene Zustände des Ichs, die natürlich und gesund sind. Beispielsweise verhalten sich Menschen im Privatleben anders als an ihrem Arbeitsplatz. Im besten Fall tauschen Ego States Informationen aus und verfolgen gemeinsame Ziele. Ein Trauma kann dazu führen, dass sie nicht miteinander kooperieren. Es entstehen innerpsychische Konflikte. Die Ego-State-Therapie löst diese auf.
Benötigen Sie professionelle Hilfe bei der Verarbeitung eines Traumas? Auf der Website des Schweizerischen Instituts für Trauma-Therapie SITT finden Sie eine Liste mit anerkannten Psychotherapeutinnen und -therapeuten.
Quellen:
Seidler, G. H., Freyberger, H. J., Glaesmer, H., Gahleitner, S. B. (2019). Handbuch der Psychotraumatologie (3. Auflage). Stuttgart: Klett-Cotta.